Entfalten und auch mal rumspinnen: Anja Peter im Porträt

Seit 11 Jahren schon arbeitet Anja Peter bei der Rudolf Hensel GmbH als technische Leiterin. Der Job bei dem mittelständischen Lackhersteller, der sich auf Brandschutz spezialisiert hat, ist ihr viel wert. Das merkt man schon daran, dass sie jede Woche aus Stuttgart nach Hamburg pendelt.

Anja Peter -

Dass Rudolf Hensel heute auf Anja Peter zählen kann, verdankt das Unternehmen dem glücklichen Umstand, dass Anja Peter früher leidenschaftliche Handballspielerin war. Ihren Verein zu verlassen, konnte sie sich nach dem Abitur nicht vorstellen. So landete sie an der FH Druck in Stuttgart, um den Studiengang Farbe, Lacke, Kunststoffe zu studieren. Eigentlich interessierte sie sich eher für das Thema Kunststoffe, ein Praxissemester bei Akzo Nobel brachte dann aber die Leidenschaft für das Thema Lack zum Vorschein. „Wenn ich heute noch mal wählen müsste, ich würde noch mal genau das gleiche studieren“, erzählt sie. Dabei hatte sie erst Tierärztin oder Pilotin werden wollen. „Frauen in technischen Berufen, das hat man damals aber noch nicht so gesehen“, umschreibt sie die damalige Situation diplomatisch.

Das Studium in Stuttgart brachte sie dann auch zu ihrem ersten Arbeitgeber, der Permatex GmbH in Vaihingen/Enz. Hier hatte sie schon ihre Diplomarbeit geschrieben und dabei offenbar überzeugt. Eigentlich suchte das Unternehmen keine neuen Mitarbeiter, schuf dann aber eigens für Anja Peter eine Stelle, bei der sie sich um Lacke für Schienenfahrzeuge kümmerte.Dort sollte sie auch den Brandschutz als Thema entdecken. Das Unternehmen gehörte zur Herberts-Gruppe, die ihre Brandschutzabteilung in Wuppertal schloss und nach Baden-Württemberg verlegte. „Ich habe mir gedacht, warum nicht mal was Neues ausprobieren?“, erzählt sie, denn im Studium hatte sie zu diesem Thema nichts gelernt. „Der Brandschutz wurde dann zu meiner Passion“, ergänzt sie.

So ist sie zum Beispiel auch beim europäischen Lackverband CEPE in der Fachgruppe Intumescent Coatings Technical Committee (ICTC) tätig. „Hier ist immer einiges zu tun, etwa bei der Dauerhaftigkeit von Brandschutzsystemen sowie der Entwicklung eines harmonisierten Standards“, erzählt sie. Die Arbeit sei nicht immer leicht, „da wird von mancher Lobby auch mal mit falschen Tatsachen argumentiert“, berichtet sie. Es sei wichtig die Interessen des Mittelstandes zu vertreten und tragfähige Kompromisse auszuhandeln. Außerdem dürften die Standards nicht zu sehr aufgeweicht werden „Nicht immer so einfach wie möglich, dass ist im Brandschutz sehr wichtig“, findet sie.

Immer wieder durchboxen

Auf europäischer Ebene ist sie bis heute die einzige Frau, die sich in den Ausschüssen mit Brandschutz befasst, immerhin in Deutschland gebe es inzwischen aber auch noch andere, erzählt sie. Das sei relativ typisch. Wenn man als Frau in einem technischen Beruf lande, dann müsse man sich durchboxen. Als sie sich früher einmal für ein BA-Studium bei Bosch interessiert habe, fragte der Referent sie gar, ob sie denn hier richtig sei. „Da habe ich schon überlegt, ob ich einen technischen Beruf ausüben möchte“, erinnert sie sich. Anderseits habe das beständige Durchboxen sie auch geprägt und mit Kompetenz könne man sogar umso mehr überzeugen.

Vielleicht liegt es auch am beständigen Kampf gegen solche Respektlosigkeiten, dass Anja Peter sich im Mittelstand wohler fühlt. Schon zu Permatex war sie nach dem Studium gegangen, weil sie der Meinung ist im Mittelstand mehr bewegen zu können. Auch dass sie heute bei Rudolf Hensel arbeitet, ist dieser Tatsache geschuldet. Ihr alter Arbeitgeber wurde kurz nach der Jahrtausendwende an einen Konzern verkauft, wo sie dann auch einige Jahre das Konzernleben kennenlernte.

„Ich möchte mich entfalten und auch mal rumspinnen können“, sagt sie. Genau das sei in Konzernstrukturen aber viel schwieriger, da müsste dann der Vorgesetzte und dessen Vorgesetzter und so weiter überzeugt werden. Bei Rudolf Hensel hat sie mehr Freiheiten, und dass auch mal was schiefgehe, gehöre hier dazu. „Dann ziehen wir rechtzeitig die Reißleine und lernen aus unseren Fehlern“, sagt sie. Man merkt, wie wichtig ihr dieses Innovationsvermögen ist und auch wie dankbar sie der ­Geschäftsführung ist, dass diese eine gesunde Fehlerkultur zulässt.

Elf Jahre Pendeln

Die Entscheidung den Konzern zu verlassen war nach einem Aufenthalt in China gefallen, dort sei ihr klar geworden, dass sich etwas ändern müsste. Dankbar ist sie auch ihrem Lebensgefährten, der sie damals unterstütze. Stuttgart zu verlassen und nach Hamburg zu ziehen war für ihn aus familiären Gründen nicht möglich. Dennoch habe er gesagt, „komm wir probieren das, Du musst auch an deine berufliche Zukunft denken.“

Heute, elf Jahre später zeigt sich, die Entscheidung war offenbar richtig. Noch immer pendelt Anja Peter zwischen Stuttgart und Hamburg, sowohl Lebensgefährte als auch der Arbeitgeber geben ihr dazu die nötige Flexibilität. Und der Norden gefällt ihr. Die Süd- und die Norddeutschen seien sich sogar recht ähnlich, zum Beispiel in ihrer reservierten Art. Manche Unterschiede schätzt sie aber auch. „Im Süden muss alles auf Papier stehen“, sagt sie. In Hamburg sei ein Handschlag dagegen genauso viel Wert wie ein Vertrag.

Von Jan Gesthuizen

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