Ein Netzwerk für weibliche Führungskräfte in der Lackindustrie
Das erste Event im Februar war ein voller Erfolg. Etwa 30 weibliche hochrangige Führungskräfte aus 10 Ländern trafen sich auf dem Gutshof Murjahn, um ein internationales Business-Netzwerk ins Leben zu rufen. In den Vorträgen wurden Themen wie Unternehmenskultur und Krisenmanagement ebenso diskutiert wie die Rolle von Vielfalt und Inklusion für den Unternehmenserfolg. In Workshops wurden die brennendsten Herausforderungen der Coatings Industry bearbeitet und identifiziert.
Es ist weit bekannt, dass in vielen Ländern die Zahl der Frauen in Top-Führungspositionen überschaubar ist. Das ist in der internationalen Lack- und Farbenindustrie nicht anders. Es ist also für weibliche Führungskräfte in dieser Branche – rein statistisch gesehen – nicht einfach, auf andere Frauen in ähnlichen Position zu treffen. Beim Coatings Summit, der alle zwei Jahre die führenden Köpfe der internationalen Lackindustrie zusammenbringt, entstand im Januar 2017 die Idee, ein Business-Netzwerk für Frauen in Führungspositionen aufzubauen.
Der erste Schritt zur Umsetzung wurde noch vor Ort gemacht. Paula Salastie, CEO und Eigentümerin von Teknos; Gloria Glang, Vice President bei Clariant, und Sonja Schulte, Chefredakteurin vom European Coatings Journal, stimmten überein, gemeinsam das Board zu bilden. Auf Einladung von Dr. Ralf Murjahn, CEO von DAW fand vom 14. – 16. Februar 2018 das erste „European Coatings Leading Women´s Forum“ auf dem Gutshof Murjahn in Forst an der Weinstraße statt. Thematisch spannte die Veranstaltung einen Bogen von Unternehmenskultur über Krisenmanagement, Mitarbeiterführung bis zu den Herausforderungen der Diversität.
In seinem Vortrag stellte Ralf Murjahn die Bedeutung von Familienunternehmen, insbesondere in Deutschland heraus. „91% aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen, wo 57% aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten und 55% des Umsatzes produziert werden“, erklärte Murjahn. Unternehmenskultur spielte auch im Vortrag von Paula Salastie eine wichtige Rolle. Sie beleuchtete das Thema insbesondere im Hinblick auf Merger. Neben anderen Faktoren spielten Timing und Kommunikation während aller Phasen eines Mergers eine wesentliche Rolle, so Salastie.
Vier gegen elf
Prof. Heather Hofmeister, Soziologin an der Goethe Universität Frankfurt, sprach darüber, wie Frauen authentisch und erfolgreich in einer männlich geprägten Geschäftswelt sein können. Hofmeister betonte, dass Frauen oft eine höhere Leistung zeigen müssen, um gleich gut beurteilt zu werden wie Männer. Sie verwies die bekannte Studie des Wissenschaftsmagazins „Nature”. In dieser Studie wurde der Peer-Review Prozess untersucht. Befragt wurden sowohl männliche als auch weibliche Reviewer. Dabei wurde ein sogenannter „male bonus“ entdeckt: sowohl männliche als auch weibliche Reviewer sehen Männer subjektiv oft auf einem höheren Kompetenzlevel, Frauen müssen im Schnitt 2,5 Mal so produktiv sein, um dasselbe Level zu erreichen wie ihre männlichen Kollegen. Übertragen auf ein Fußballfeld hieße das, es spielten vier Frauen gegen elf Männer, erklärte Hofmeister.
Frauen sind wichtig, Männer auch!
Paul Harnick, Global Head of Chemical and Performance Technologies bei KPMG, stellte das Thema Inklusion und Diversität in den Mittelpunkt seines Vortrags. „Inklusion geht um uns alle, es geht darum eine Kultur zu schaffen, die nach Gerechtigkeit strebt und Respekt und Unterschiede in den Wertkulturen aller annimmt“, betonte er. Laut Harnick ist der Return on Sales (ROS) 15% bei Firmen, die die meisten weiblichen Board-Mitglieder haben, höher. Über sein eigenes Unternehmen sagte er, dass KPMG sich verpflichtet sehe, Geschlechtergleichheit zu fördern, aber auch zugebe, dass noch Einiges zu tun sei. Zurzeit seien 22% aller Partner, Geschäftsführer und Direktoren bei KPMG weiblich. „2013 lag dieser Anteil noch bei 19%“, so Harnick weiter. Eine schnelle Umfrage unter allen Teilnehmerinnen ergab, dass sich die meisten Unternehmen noch im mittleren Teil dieser Entwicklung befinden. Harnik schloss seine Präsentation mit der Aussage: „Verbessern Sie die Sichtbarkeit von positiven Vorbildern. Und vergessen Sie nicht, dass Männer auch eine wichtige Rolle spielen.“
Unsere Industrie ist nicht sexy
Am ersten Konferenztag wurde in einem Workshop nach der World-Café Methode die Fragestellung bearbeitet, was die wichtigsten Herausforderungen der nächsten zehn Jahre für die Lackindustrie sein werden.
Am ersten Konferenztag wurde in einem Workshop nach der World-Café Methode die Fragestellung bearbeitet, was die wichtigsten Herausforderungen der nächsten zehn Jahre für die Lackindustrie sein werden. Wenig überraschend: Der Kampf um Fachkräfte ist neben Digitalisierung, sich verändernde Märkten und Gesetzgebung einer der größten Herausforderungen für die gesamte Branche. Der Mittelstand ist genauso davon betroffen wie große Konzerne. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, dass nur wenige Menschen die Lack- und Farbenindustrie überhaupt kennen. „Wir sind als Branche nicht sexy“, sagte eine Teilnehmerin treffend.
Auch ist den meisten Menschen nicht bekannt, welche entscheidende Rolle Lacksysteme beim Erhalt von Gütern spielt. Als Lösungsansatz wurde erarbeitet, dass es eine umfassende internationale Image-Kampagne geben könne, die die gesamte Industrie gemeinsam starten solle. Am zweiten Tag wurde die Thematik des Fachkräftemangels in einem weiteren Workshop vertieft. Dabei kamen Fragen auf, wie „was ist denn überhaupt ein Top-Talent?“ oder „wie gewinnt man gute Mitarbeiter eventuell auch aus anderen Branchen?“. Als ein Lösungsansatz wurde herausgearbeitet, dass man alle Punkte (z.B. Diversität, Attraktivität der Branche etc.) systematisch im Unternehmen implementieren muss, um nachhaltig immer wieder gute Fachkräfte im Pool zu haben.
Das nächste EC Leading Women´s Forum wird Anfang 2020 stattfinden.
Von Sonja Schulte