Die Korrosionsschutzbeschichtung als elektrischer Widerstand im Korrosionsstromkreis

Korrosionsbeschichtungen mit wenigen Strukturporen, behindern den Ionentransport stärker und haben dadurch bessere korrosionsschützende Eigenschaften. Ein Maß für die Behinderung des Ionentransportes und damit für die Anzahl an Strukturporen ist die Ionen Permeabilität.

Die Korrosionsschutzbeschichtung als elektrischer Widerstand im Korrosionsstromkreis. Bildquelle: Sasha Radosavljevic - Fotolia -

Von Peter Heinze

Korrosionsschutzbeschichtungen verhindern Korrosion, in dem sie Anode und Kathode elektrisch voneinander trennen und die, für die Kathodenreaktion erforderlichen, elektrische Ladungen von der Kathode fernhalten. Elektrische Ladungen (Ionen) gelangen per Elektrolyt durch Poren in der Beschichtung zum Substrat. Der Gehalt an Poren kann durch die Bestimmung der Ionen-Permeabilität IP ermittelt werden. Der spezifische Widerstand des Beschichtungsmaterials, der sich aus IP dann errechnet, ist in der Lage Korrosionsschutzbeschichtungen hinsichtlich ihrer Qualität genau und objektiv zu vergleichen. Partikel von superabsorbierenden Polymeren (SAP) verbessern die korrosionsschützenden Eigenschaften einer Beschichtung indem sie Poren für den Ionentransport verschließen.

Wesentliche Funktion einer Korrosionsschutzbeschichtung

Korrosionsschutz durch Beschichtungen ist ein bewährter und kostengünstiger Weg, Objekte und Gegenstände über einen längeren Zeitraum vor Korrosion zu schützen. Aber es gibt einiges bei dieser Art des Korrosionsschutzes zu beachten. Abb. 1 zeigt ein klassisches Korrosionselement, bei dem die elektrochemischen Vorgänge der Korrosion gut erkennbar sind. An der Anode, dem unedleren Zink, geht Zink als Ion in Lösung. An der Kathode, dem edleren Eisen, werden durch die Kathodenreaktion aus Sauerstoff, Wasser und Elektronen OH Ionen gebildet. Wenn einer dieser drei Partner für die Kathodenreaktion nicht zur Verfügung steht, findet keine Korrosion statt. Wasser und Sauerstoff gelangen aufgrund des Konzentrationsgefälles per Lösungsdiffusion [3] durch das Bindemittel des Beschichtungsmaterials in, für Korrosionsvorgänge, ausreichender Menge [4] zum Substrat. Elektrische Ladungen können nur per Elektrolyt durch Poren in der Beschichtung zum Substrat gelangen.

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Abb. 1: Korrosionselement

Bei diesem Korrosionselement ist der Korrosionsstromkreis geschlossen. Es können elektrische Ladungen fließen und somit elektrische Ladungen an der Kathode für die Kathodenreaktion zur Verfügung gestellt werden. Der Stromfluss, und damit die Korrosionsgeschwindigkeit, ist abhängig von der Potentialdifferenz zwischen Anode und Kathode, der Größe von Anode und Kathode, und der Salzkonzentration des Elektrolyten. Aus der Praxis ist bekannt, dass Stahl in Meerwasser deutlich stärker korrodiert als in Süßwasser. Eine geringere Salzkonzentration des Elektrolyten bewirkt also einen geringeren Korrosionsstrom.

Eine weitere Möglichkeit den Korrosionsstrom zu reduzieren, besteht in der Behinderung des Ionentransports zwischen Anode und Kathode, wie aus der Abb. 2 hervor geht.

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Abb.2: Gegenüberstellung von einem Korrosionselement ohne und mit einer Behinderung des Ladungsaustausches zwischen Anode und Kathode

Allein durch das Aufstellen einer Kunststoffplatte in die 5%ige Natriumchlorid Lösung zwischen Anode (Zinkblech) und Kathode (Kupferblech) wurde in diesem Fall der Korrosionsstrom von 806 [ µA] auf 0,79 [µA] reduziert. Bei einer vollständigen Abdichtung der Kunststoffplatte würde kein Korrosionsstrom fließen, weil dann der Korrosionsstromkreis unterbrochen ist.

Bei einer Korrosionsschutzbeschichtung mit einer Verletzung, Abb. 3, haben wir die gleichen Gegebenheiten. Wir haben eine Anode, den freiliegenden Stahl an der Verletzung, eine Kathode, die beschichtete Stahlfläche und wir haben einen Elektrolyten, das Meerwasser, der beide verbindet und somit einen geschlossenen Korrosionsstromkreis. Die korrosionsschützende Wirkung der Beschichtung liegt in der Behinderung des Ionentransports zwischen Anode und Kathode.

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Abb.3: Senkrechter Schnitt durch eine Korrosionsschutzbeschichtung an einer Verletzung

Wie stark der Ionentransport durch die Beschichtung behindert wird, hängt davon ab, wie viel Poren die Beschichtung besitzt, denn nur über Poren können Ionen durch eine Beschichtung transportiert werden.

Aufbau einer Korrosionsschutzbeschichtung

Eine Beschichtung ist nicht homogen. Sie enthält eine Vielzahl an Fehlstellen (Poren).

[1] Dr.-Kurt Weinheim hat Beschichtungen untersucht und folgende Einteilung gefunden.

  • Makroskopische Poren mit einem Durchmesser 100μm sind durchlässig für Elektrolyte und kleine Teilchen
  • Mikroskopische Poren mit einem Durchmesser von 100 – 1μm sind durchlässig für Elektrolytlösungen größerer Moleküle
  • Strukturporen mit einem Durchmesser 1μm sind durchlässig für Lösungen von Stoffen mit kleinen Molekülen.
  • Strukturporen [1, 5] haben wegen ihrer Häufigkeit den größten Anteil am Ionentransport durch eine Beschichtung.

Ihr Gehalt ist vom Vernetzungsgrad und von der Ordnung der Kettenmoleküle, von der Art und der Menge der eingesetzten Füllstoffe und Pigmente und von der Art und Menge der eingesetzten Lösemittel, also von der Zusammensetzung des Beschichtungsmaterials, abhängig. Makroskopische und mikroskopische Poren sind weitgehend verarbeitungsbedingt und häufig selbst Ausgangspunkt von Korrosionsvorgängen.

Bestimmung des Behinderungsgrades einer Korrosionsschutzbeschichtung

IP [Mol./Zeit x Fläche]. Sie gibt an, wie viel Mol bzw. Pikomol Ionen während einer Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit Beschichtungsfilm hindurch wandern und ist abhängig von: Der herrschenden Temperatur, der Elektrolytzusammensetzung, der Spannung zwischen Anode und Kathode, der Anzahl an Einzelschichten der Beschichtung, der Gesamtschichtdicke der Beschichtung und von der Zusammensetzung des Beschichtungsmaterials. Aus der Ionen-Permeabilität können der Stromfluss im Korrosionsstromkreis, der elektrische Widerstand und der spezifische Widerstand einer Beschichtung errechnet werden.

Stromfluss I = IP x 1 Faraday x Fläche [A]

elektrischer Widerstand R = U: I [Ω]

spezifischer Widerstand Rspez.= R x Fläche: Schichtdicke [Ω x cm]

Bei den bisher durchgeführten Messungen, mit einer Messzellen-Fläche von 9,6 [cm2], einer Spannung zwischen Anode und Kathode von 650[ mV] und 5% iger Natriumchlorid Lösung als Elektrolyt, lag der Korrosionsstrom je nach Beschichtungsqualität zwischen 10-9 [A], und 10-12 [A], der elektrische Widerstand zwischen 109 [Ω] und 1011 [Ω] und der spezifische Widerstand lag zwischen 1012 [Ω x cm]. und 1014 [Ω x cm]. Produkte mit einem spezifischen Widerstand von 1014 [Ω x cm] haben sich beim schweren Korrosionsschutz, für Stahlwasser- und Schiffbau, bewährt. Der spezifische Widerstand ist demnach eine, von der Schichtdicken unabhängige, Konstante für ein Korrosionsschutzbeschichtungsmaterial. Ein hoher spezifischer Widerstand bestätigt eine starke Behinderung des Ionentransports zwischen Anode und Kathode.

Über den spezifischen Widerstand können Korrosionsschutzbeschichtungen schichtdickenunabhängig hinsichtlich ihrer korrosionsschützenden Eigenschaften genau und objektiv verglichen werden, so wie es von [2] W. Philipp Öchsner, Berndt Bergk, Erika Fischer und Karin Gasznerin ihrer Veröffentlichung „Wasseraufnahme von Beschichtungen“ prognostiziert wurde. Sie schreiben unter der Überschrift „Ionendurchlässigkeit prüfen“: Mit diesen Erkenntnissen wird es möglich sein, neben praxisüblichen Beurteilungsmethoden die Korrosionsschutzwirkung von Beschichtungen durch genaue physikalische Kennwerte zu bestimmen.

Einflussmöglichkeiten auf die Behinderung des Ionentransports

Mit dieser Messung der Ionen-Permeabilität wurden die anfangs angesprochenen Abhängigkeiten mit folgenden Ergebnissen untersucht. Die Temperaturabhängigkeit entspricht den praktischen Erfahrungen. Die Ionen-Permeabilität steigt mit steigender Temperatur. Auch die Abhängigkeit von der Elektrolytkonzentrationen entspricht den praktischen Erfahrungen. Bei einer erhöhten Elektrolytkonzentration steigt die Ionen-Permeabilität. Eine steigende Spannung zwischen Anode und Kathode erhöht die Ionen-Permeabilität.

Bei den Untersuchungen des Einflusses der Anzahl der Einzelschichten, bei annähernd gleicher Gesamtschichtdicke, sank die Ionen-Permeabilität von 100000 [pMol/hxcm2] bei einer Schicht auf 0,046 [pMol/hxcm2] bei vier Schichten Dieser Einfluss ist enorm. Er entspricht aber auch der praktischen Erfahrung und belegt, dass Poren in der Beschichtung für den Ionentransport verantwortlich sind, denn durch jede weitere Schicht wird ein Teil der Poren in der Grundschicht verschlossen. Die Materialzusammensetzung wurde bei einiger Fällen gezielt verändert und die Auswirkung untersucht.

Lösemittel

Bei einem schlechten Löser in der Rezeptur war die Ionen-Permeabilität um ein Vielfaches höher als bei einem optimalen Löser. Ein schlechter Löser hinterlässt deutlich mehr Poren, wenn er aus dem Beschichtungsfilm entweicht.

Pigmentbenetzung

Auch eine gute Benetzung der Pigmente trägt dazu bei, dass Poren in einer Beschichtung reduziert werden. Bei guter Pigmentbenetzung war die Ionen-Permeabilität auch um ein Vielfaches niedriger als bei schlechter Pigmentbenetzung.

Wasserlagerung bei zum Teil wasserlöslichen Pigmenten

Wasserlösliche Anteile in einer Beschichtung werden mit der Zeit herausgelöst. Hierdurch wurden zusätzliche Poren erzeugt und die Ionen-Permeabilität stieg mit der Zeit der Wasserlagerung.

Bindemittelzusammensetzung bei einer Epoxidbeschichtung

Hier wurde die gleiche Stammkomponente (Stamm A) mit drei verschiedenen Härtern 100 %ig vernetzt. Der cycloaliphatische Polyamin Härter verhielt sich hinsichtlich der Strukturporen deutlich besser als ein Polyaminoamid Härter. Wie diese Ergebnisse zeigen, ist die Materialzusammensetzung der Schlüssel für die Qualität einer Korrosionsschutzbeschichtung.

Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen

Aus diesen Erkenntnissen ergab sich die Suche nach einer Möglichkeit Poren in einer Beschichtung zusätzlich zu schließen, um so, allein durch das verschließen von Strukturporen, die korrosionsschützende Eigenschaft einer Beschichtung zu verbessern. Untersuchungen mit superabsorbierenden Polymeren (SAP) haben gezeigt, dass dies möglich ist. SAP Partikel quellen in einer Beschichtung, wenn die Beschichtung mit Wasser belastet wird, und verschließen durch ihre Volumenvergrößerung benachbarte Poren in der Beschichtung, was den Ionentransport zwischen Anode und Kathode erschwert. Als Schema ist dies auf Abb. 4 zu erkennen.

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Abb.4: Schematischer Darstellung der Quellung und Volumenzunahme von SAP Partikel in einer Beschichtung

Von 2 unterschiedlichen Proben mit und ohne SAP wurde zunächst die Quellung in destilliertem Wasser und 3 % iger NaCl Lösung und dann die Ionen-Permeabilität untersucht. Der Anteil an SAP Partikel war bei beiden Proben gleich groß. Die Probe 1 war ein lösemittelhaltiges, physikalisch trocknendes 1 Komponenten Korrosionsschutzmaterial auf Epoxidester-Basis. Die Probe 2 war ein lösemittelfreies, chemisch härtendes 2 Komponenten Korrosionsschutzmaterial auf Epoxidharz-Basis.

Durch diese Untersuchungen sollte das Quellverhalten von SAP Teilchen in einer Beschichtung, wenn diese mit Waser belastet sind, gezeigt werden. Weiter musste geklärt werden, ob durch das Quellen der SAP Teilchen und deren Volumenvergrößerung in der Beschichtung tatsächlich Poren für den Ionentransport verschlossen werden. Dies konnte durch die Veränderung der Ionen-Permeabilität und des elektrischen Widerstandes nachgewiesen werden. Die ausgewählten Proben waren unterschiedlich in ihren physikalischen Werten. Die Probe 1 war relativ weich und die Probe 2 war relativ hart.

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Abb.5: Graphische Darstellung der Quellung von 2 Proben in destilliertem Wasser und 3% iger Natriumchloridlösung ohne und mit SAP Partikel

Aus Abb. 5 geht hervor, dass der SAP Anteil das Quellverhalten der Proben deutlich gesteigert hat. Bei der Probe 1, der relativ weicheren Probe, war die SAP Teilchen stärker gequollen als in der relativ härteren Probe 2, was bedeutet, dass die SAP Partikel auch in der Beschichtung quellen und dabei ihr Volumen vergrößern. Die Stärke der Quellung war aber von den mechanischen Eigenschaften des Beschichtungsmaterials abhängig.

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Abb.6: Graphische Darstellung der Ionen-Permeabilität und des elektrischen Widerstandes von 2 Proben ohne und mit SAP Partikel

Die Abb. 6 veranschaulicht, dass die Ionen-Permeabilität der Proben durch den SAP Anteil deutlich sinkt und der elektrische Widerstand entsprechend steigt. Diese Untersuchungen bestätigen den vermuteten Mechanismus, dass SAP Teilchen in einer Beschichtung, wenn sie mit Wasser oder wässrigen Lösungen belastet wird, quellen und durch ihre Volumenvergrößerung einen Teil der benachbarten Poren verschließen. Dies hat dann zu einer stärkeren Behinderung des Ladungsaustausches geführt und die korrosionsschützende Eigenschaft der Beschichtung deutlich gesteigert. Die folgenden Abb. 7, 8 und 9 zeigen, nach Salzsprühtest, wie sehr allein der SAP Anteil den Korrosionsschutz verschiedener Beschichtungen verbessert hat.

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Abb. 7: Gegenüberstellung eines Klarlackes ohne und mit SAP Partikel

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Abb.8: Gegenüberstellung einer Korrosionsschutzbeschichtung ohne und mit SAP Partikel

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Abb.9: Gegenüberstellung einer wässrigen Epoxidbeschichtung ohne und mit SAP Partikel

Fazit

Wenn Korrosionsvorgänge ablaufen, fließt Strom. Die Korrosionsschutzbeschichtung reduziert, aufgrund ihres elektrischen Widerstandes, diesen Korrosionsstrom. Der spezifische Widerstand des Beschichtungsmaterials gibt Auskunft darüber, wie stark die Reduktion des Korrosionsstromes ausfällt.

Ergebnisse auf einen Blick

  • Korrosionsbeschichtungen mit wenigen Strukturporen, behindern den Ionentransport stärker und haben dadurch bessere korrosionsschützende Eigenschaften.
  • Ein Maß für die Behinderung des Ionentransports und damit für die Anzahl an Strukturporen ist die Ionen-Permeabilität.
  • Der spezifische Widerstand ermöglicht es, Beschichtungsmaterialien hinsichtlich ihrer korrosionsschützenden Eigenschaft genau und objektiv zu unterscheiden.
  • SAP Teilchen schließen, wenn sie quellen, einen Teil der benachbarten Poren in der Korrosionsschutzbeschichtung und verbessern so ihre korrosionsschützenden Eigenschaften.

Buchtipp

Mehr zum Thema Korrosionsschutz bietet das 240 Seiten starke Standartwerk Korrosionsschutz durch Beschichtungen von Jörg Sander.

Literatur:

[1] K. Weinmann : Die Bestimmung der Porigkeit und Porenfläche von Lackfilmen mit Hilfe der Elektrolyt-Durchlässigkeit. Fette-Seifen-Anstrichmittel Nr 7 1956 S. 507 – 515.

[2] P. Öchsner, Berndt Bergk, Erika Fischer, Karin Gaszner:

Wasseraufnahme von Beschichtungen. FARBE & LACK 7 2005, S. 42 – 46

[3] H. Klopfer: Anstrichschäden S. 65

[4] Martin Stratmann, Ralf Feser und Armin Leng: Korrosionsschutz mit organischen Beschichtungen. FARBE UND LACK 2/1994 S. 95

[5] Ulrike Gabrys: Korrosionsschäden: Ursachen und Lösungsansätze. Von der Bundesanstalt für Wasserbau veröffentliche Version S. 8

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