Der VdL und die Corona-Krise: „Anstoßen und Nachfassen“
Wie wirkt sich die COVID-19-Pandemie auf den VdL aus?
Dr. Martin Kanert: Unser Verband befasst sich derzeit sehr intensiv mit der Corona-Thematik. Da sich diese jedoch auf unterschiedliche Bereiche auswirkt, haben wir derzeit mehrere Baustellen, an denen wir arbeiten. Diese müssen jedoch alle zügig geschlossen werden.
Welches Thema hat in Bezug auf die COVID-19-Pandemie die höchste Priorität?
Kanert: Die Anerkennung als systemrelevante Industrie steht ganz oben auf der Liste. Das spiegeln uns auch die Gespräche mit unseren Mitgliedsfirmen wider. Auch wenn es derzeit noch keine Schließungen von Produktionszweigen in Deutschland gibt, kann ein solches Szenario, wie etwa in Italien, schnell eintreten. Daher müssen wir hier schnellstmöglich durch die Regierung eine Anerkennung als systemrelevant bescheinigt bekommen. Das hängt nicht nur mit drohenden Schließungen zusammen, sondern auch mit dem Tagesgeschäft. Mitgliedsfirmen berichteten bereits, dass sie nur aus Italien beliefert werden können, wenn sie selbst zur systemrelevanten Industrie gehören.
Aber auch das Thema Kinderbetreuung spielt hier mit rein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können schneller einen Betreuungsplatz zugewiesen bekommen, wenn sie in systemrelevanten Industrien tätig sind. Dies würde die Gefahr eines Produktionsstillstands auf Grund von Personalmangel reduzieren.
Was ist diesbezüglich in die Wege geleitet worden?
Kanert: Der VCI hat sich bereits an die zuständigen Ministerien gewandt und deutlich aufgezeigt, weshalb die chemisch-pharmazeutische Industrie systemrelevant ist. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat der Lebensmittelwirtschaft, der Verpackungsindustrie und deren Zulieferindustrien bereits hinsichtlich der Lebensmittelversorgung die Systemrelevanz bestätigt. Insofern ist die Herstellung von Lebensmittelverpackungsdruckfarben hier bereits erfasst.
Wir sind zuversichtlich diese Anerkennung zu erhalten, da die chemischen und pharmazeutischen Industrien bereits in Ländern wie Italien, Frankreich und den USA als systemrelevant eingestuft worden sind.
Welche weiteren Herausforderungen zeigen sich, die nicht die oberste Priorität haben, aber dennoch sehr wichtig sind?
Kanert: Der grenzüberschreitende Warenverkehr kann sich zu einem großen Problem entwickeln. Auch hier muss schnell gehandelt werden, sonst kann es schnell zu Engpässen z.B. bei der Einfuhr von Rohstoffen und der Ausfuhr von Fertigerzeugnissen kommen. Das muss verhindert werden.
Eine weitere Herausforderung sehen wir bei dem Rohstoff Ethanol: Hier zeigt sich eine Verknappung und Verteuerung, da dieser Rohstoff nun auch sehr stark für die Herstellung von Desinfektionsmitteln nachgefragt wird.
Was macht der VdL um seine Mitglieder aktiv zu unterstützen?
Kanert: Um unsere Mitgliedsunternehmen in der Pandemie zu unterstützen, haben wir unser Krisenhandbuch der Lack- und Druckfarbenindustrie um das Kapitel „Kommunikation in der Pandemie: Die Corona-Krise“ erweitert. Auf 16 Seiten geht es um die interne Kommunikation, also mit den Mitarbeitern unserer Mitgliedsfirmen, aber auch um die Kommunikation nach außen, wenn es erste Verdachts- oder gar Krankheitsfälle gibt. Checklisten sollen Sicherheit im Umgang mit der Krise geben.
Derzeit gibt es auch eine Flut an Dokumenten, die Informationen rund um die Corona-Krise bereitstellen. Durch die schiere Anzahl ist es kaum mehr möglich, hier die Übersicht zu behalten. Wir sichten die Dokumente nach Relevanz für unsere Branche und stellen diese wichtigen Informationen auf eine Plattform. Dies Inhalte werden wird auch laufend ergänzt, sei es durch interne oder externe Mitteilungen. So müssen sich unsere Mitgliedsfirmen nicht durch das Wirrwarr kämpfen und können Kapazitäten an geeigneteren Stellen einsetzen.
Was ist sonst noch zu beachten?
Kanert: Wir haben ein waches Auge auf Fristen, die eingehalten oder verschoben werden müssen. Ein Beispiel ist hier die Anpassungen an den technischen Fortschritt, kurz ATP, zu MIT-haltigen Bautenanstrichmitteln. Zum Mai läuft die Frist ab, Produkte mit den alten Labels in Baumärkten zu verkaufen. Die Baumärkte waren aber in einigen Bundesländern für private Konsumenten geschlossen, und die Ware konnte somit nicht abverkauft werden. Hier liegt kein Verschulden unserer Branche vor, und daher sollten die Fristen mit Augenmaß neu gesetzt werden.
Welche weiteren Schritte stehen auf der Tagesordnung für den VdL?
Kanert: Wenn all diese Themen angestoßen sind, muss natürlich auch nachgefasst werden. Wir bleiben da am Ball. Wenn zwischenzeitlich etwas Neues kommt, was in der jetzigen Situation fast täglich passiert, werden wir auch diese Themen proaktiv angehen.
Dieses Interview führte Damir Gagro.