Die mitdenkende Lackfabrik

Die Digitalisierung kann für Hersteller von Farben und Lacken wichtige Effizienzvorteile bringen. Im Interview erklärt Ralph Jan Wörheide, Geschäftsführer bei Orontec, welche Rolle dabei Künstliche Intelligenz einnimmt und welche Risiken von ihr ausgehen.

Gute Messtechnik ist die Voraussetzung -

Wo sehen Sie Potenziale von Künstlicher Intelligenz für die Lackbranche?

Ralph Jan Wörheide: Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Werkzeug auf dem Weg zur „Intelligenten Lackfabrik“ – ein Denkmodell, das wir erstmalig im Jahr 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Lackproduzenten sind zunehmend mit schwierigen Beschaffungsmärkten bezüglich Preisen, Verfügbarkeiten, Regularien und härteren Bedingungen am Markt konfrontiert. Es ist daher eine wichtige Aufgabe, schlanke Prozesse zu schaffen und diese mit Hilfe von validen Daten zu steuern, um nicht von den Erfahrungen von Einzelpersonen abhängig zu sein. Wir haben dazu mit unserem Flüssiglack-Farbmesssystem einen wichtigen Baustein geschaffen, denn Unternehmen können damit die Prozesskette Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte bezüglich Farbe schnell und präzise steuern.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die intelligente Steuerung von Anfrageprozessen mit Hilfe von Systemen, die Kundenanforderungen so kategorisieren können, dass aus einem Baukasten ein individuelles Lacksystem produziert werden kann. Letztendlich laufen alle wichtigen Informationen im Labor zusammen, wo wir auch innovative Lösungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz konkret umsetzen. Ich glaube, dass viel zu oft bezüglich Künstlicher Intelligenz nur auf technische Prozesse geschaut wird, aber Business-Prozesse sind ebenso wichtig.

Ralph Jan Wörheide Orontec

Ralph Jan Wörheide, Geschäftsführender Gesellschafter bei Orontec

Können Sie auf den Punkt der selbstlernende Lackproduktion eingehen?

Wörheide: In der KI-Szene sind selbstlernende Systeme im Moment die wichtigsten Anwendungen. Man muss sich dies wie ein Kind vorstellen, dem man beibringt, wie etwas richtig funktioniert. Für die Lackproduktion bedeutet das zunächst, dass Sie dem Kinde auch mit Sicherheit eine Unterscheidung von richtig und falsch an die Hand geben können müssen. Auch hier sind wir wieder beim Thema Daten, die Messtechnik ist noch viel zu sehr auf das Erfüllen von Kundenanforderungen anstatt auf das Wissen über den Prozess ausgelegt.

Selbstlernende Systeme können zum Beispiel bei Farbkorrekturen reale mit theoretischen Ergebnissen abgleichen und laufend die Qualität von Korrekturalgorithmen verbessern. Hinzu kommt in diesem Falle auch die Information über die Qualität von Rohstoffen und das Monitoring von Betriebsparametern der Mahlprozesse. All dies sind Themen, die wir in der „Intelligenten Lackfabrik“ mit Partnern umsetzen werden.

Was sehen Sie als Risiken bei der Nutzung von KI für die Branche?

Wörheide: Ohne Digitalisierung keine Künstliche Intelligenz. Und ohne schlanke Prozesse, valide Daten und gute Messtechnik ist die Digitalisierung eine Sackgasse. Sie können Software überall kaufen, KI- Algorithmen können Sie schon mit Open Source gut abdecken. Das Risiko ist nicht die Künstliche Intelligenz an sich, sondern die potenzielle Ressourcenverschwendung.

Unternehmen der Lackbranche brauchen hier Partner, die Kompetenzen in den Bereichen Lack, Prozessoptimierung und IT besitzen. Das ist auch der Grund, warum wir die Initiative der „Intelligenten Lackfabrik“ ergriffen haben, zu der wir auch die XING-Gruppe „Smart Paint Factory“ gegründet haben.

Das Interview führte Vanessa Bauersachs

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