Biobasierte Lacke: Wachstum weltweit
Mit den Labels „umweltfreundlich“ oder „umweltverträglich“ sind bereits viele Farben und Lacke im Markt erhältlich. Mittlerweile werden auch verstärkt biobasierte oder nachwachsende Rohstoffe in der Formulierung eingesetzt. Der Anteil ist jedoch meist gering und die Anzahl biobasierter Produkte überschaubar. In den Naturfarben ist der Anteil nachwachsender Rohstoffe hoch, dennoch bestehen nicht alle Formulierungen zu 100% aus biobasierten Rohstoffen.
Die Entwicklung „grüner“ Produkte ist derzeit in vielen Teilen der Farben- und Lackbranche ein wesentlicher Bestandteil. „Die Branche arbeitet an Lösungen, den Einsatz von gefährlichen und teils giftigen Chemikalien weiter zu reduzieren“, sagt Dr. Idoia Etxeberria, Technalia. „Darüber hinaus zieht man auch immer stärker den Lebenszyklus im Hinblick auf die Umwelt in Betracht. Die grüne Chemietechnologie wird in der Chemieindustrie der erneuerbaren Lösungen eine immer größere Rolle spielen“, sagt Etxeberria, die beim europäischen Projekt ECOBIOFOR (Ecopaint Bio-based Formulations) mitwirkte. Das Projekt legte den Fokus auf die Entwicklung und Herstellung biobasierter Lösemittel.
Biobasierte Lösemittel 2015: 2,6 Mio. Tonnen und 4,78 Mrd. EUR
Mit einem Anteil von knapp 60% sind Farben, Lacke, Druckfarben und Klebstoffe das Hauptanwendungsfeld für Lösemittel. Laut der European Solvents Industry Group (ESIG) werden in der Europäischen Union jährlich über 5 Mio. Tonnen an Lösemitteln verbraucht. Lediglich 630.000 Mio. Tonnen hiervon sind biobasiert. Das entspricht weniger als 13%. Ähnlich sieht es auch aus auf globaler Ebene. In der Studie über den Markt für biobasierte Lösemittel vom Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan schätzt der Autor Isaac Premsingh den weltweiten Markt in 2015 auf eine Größe von 21,6 Mio. Tonnen. Laut Premsingh liegt der Anteil biobasierter Lösemittel am Gesamtmarkt bei 12%. Dies entspricht einem Volumen von etwa 2,6 Mio. Tonnen mit einem Umsatzwert von 4,78 Mrd. EUR.
Der Verbrauch von biobasierten Lösemitteln zeigt ein gewohntes Bild. Mit 1 Mio. Tonnen entfällt der Löwenanteil auf die Region Asien-Pazifik. Dies sind etwa 39% der Gesamtmenge. Für Europa ermittelte das Marktforschungsunternehmen ein Volumen von 700.000 Tonnen. Für Nordamerika sind es 500.000 Tonnen und auf Südamerika entfallen 200.000 Tonnen. Auf die übrigen Regionen, den Nahen Osten und Afrika entfallen die restlichen 200.000 Tonnen.
Nachfrage steigt an
Die Nachfrage nach biobasierten Beschichtungen nimmt zu. Dahingehend steigern sich auch die Mengen an biobasierten Lösemitteln. Farben, Lacke und Druckfarben sind mit einem Anteil von 40% das wichtigste bzw. größte Anwendungsfeld für biobasierte Lösemittel. Etxeberria prognostiziert einen Anstieg auf über 1 Mio. Tonnen allein für Europa bis 2020. Diese Einschätzung teilt auch Premsingh, der eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate (CAGR) von 8,8% für Europa im Zeitraum 2015 bis 2020 errechnete. Für Nordamerika soll die CAGR bei 7,3% liegen. In Südamerika erwartet Premsingh mit 10% eine zweistellige Rate in diesem Zeitraum. Noch schneller wächst der Bedarf an biobasierten Lösemitteln. Der Nahe Osten und Afrika erwartet ein Wachstum pro Jahr von 11% und in Asien-Pazifik sind es sogar 12,6% laut den Prognosen der Studie von Frost & Sullivan.
Prognose erwartet Marktwachstum auf ein Volumen von 4,1 Mio. Tonnen und einen Umsatz von 7 Mrd. EUR
Sollten diese Erwartungen zutreffen, würde der Markt in Nordamerika auf 750.000 Tonnen anwachsen. In Südamerika würde der Bedarf bei 300.000 Tonnen im Jahr 2020 stehen. Ebenfalls 300.000 Tonnen würden im Nahen Osten und in Afrika verbraucht werden. Der Anteil der Region Asien-Pazifik würde auf knapp 43% des Gesamtvolumens von 4,1 Mio. Tonnen anwachsen. Dort würden laut Prognose 1,75 Mio. Tonnen verbraucht werden.
Asien-Pazifik, Europa und Amerika sind die wichtigsten Märkte bei Investitionen im größeren Maßstab in Bezug auf biobasierte Lösemittel. Umweltverträgliche Alternativen zu mineralölbasierten Lösemitteln werden immer stärker gefordert, nicht nur durch gesetzliche Vorgaben. Dennoch bleiben die regulativen Vorgaben der Hauptantrieb für neue und umweltfreundliche Entwicklungen. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen legen ihren Fokus auf die Technologien, die einen kosteneffizienten Produktionsprozess von biobasierten Lösemitteln ermöglicht. Die Innovationsfront sieht Premsingh in Europa und Nordamerika. Einen Technologietransfer in die Region Asien-Pazifik erwartet er in den kommenden fünf Jahren aufgrund niedrigerer Produktionskosten. In diesem Zeitraum sieht Premsingh Verbesserungen und Optimierungen im Produktionsprozess, die die Produktionskosten um weitere 2,6% sinken lassen. Somit wachse der Umsatzwert jährlich im Durchschnitt um 7,6%. Im Zieljahr der Prognose, 2020, würde der Markt bei einem Umsatzwert von knapp 7 Mrd. EUR stehen.
Positive Aussichten, doch Herausforderung bleiben präsent
Der steigende Druck durch gesetzliche Vorgaben sowie das wachsende öffentliche Bewusstsein bei Themen wie Umwelt und Gesundheit tragen zu einer erhöhten Nachfrage nach Farben und Lacken, die einen niedrigen Lösemittelanteil oder gar lösemittelfrei sind, bei.
Auch wenn die Zukunftsaussichten positiv sind, gibt Etxeberria zu bedenken, dass es dennoch größere Herausforderungen zu überwinden gilt bis Alternativen auf Basis erneuerbarer Rohstoffe mit den petrochemischen Produkten auf Augenhöhe konkurrieren können. Einerseits fehle noch die Infrastruktur und es bestehen Schwierigkeiten Investitionen umzusetzen bzw. Investoren zu finden. Dementsprechend gebe es aus auch noch technische Hürden zu meistern. Ein ganz großes Hindernis ist es aber wettbewerbsfähig bei den Kosten zu sein, da die petrochemischen Produkte meist deutlich preisgünstiger sind.
Schätzt die Lackindustrie das Potenzial voll aus?
Etxeberria erwartet aber, dass Konzepte, die stärker auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind, hier zu einem höheren Bedarf an umweltverträglichen Produkten führen wird. Nachhaltigkeit sei aber bereits ein wesentlicher Bestandteil auf der Agenda der Lack- und Druckfarbenindustrie. Wichtige Treiber, so Etxeberria, um die Nachfrage für biobasierte Lösemittel und biobasierte Farben zu steigern, sind die Nachhaltigkeit eines Produktes und dessen Preis.
Adri van der Waals, DSM Coating Resins, ist ein wenig kritischer. „Die Lackindustrie ist sehr stark durch Regularien getrieben. Viele Produkte die der Responsible Consumption, also dem verantwortungsvollen Konsum zugeordnet werden, sind da schon weiter. Etwa bei Windeln, Elektrizität oder Fahrzeugen ist der Anteil biobasierter Rohstoffe teilweise recht hoch. Die Lackindustrie schöpft dieses Potenzial jedoch nicht aus“. Van der Waals ist sich sicher, dass die Verfügbarkeit und die Kosten für biobasierte Materialen eher als kurzfristige Herausforderungen anzusehen sind, die mit wachsenden Bedarf aber überwunden wird. „Wenn wir die Rohstoffe auch sorgfältig auswählen, kann man auch den Wettbewerb mit der Nahrungsmittelindustrie vermeiden“, sagt van der Waals. „Die Lackindustrie hat den Einsatz fossiler Materialein über Dekaden optimiert.
Ich sehe keinen Grund, warum dieses dann mit biobasierten Materialen nicht auch zu bewerkstelligen ist“. Das verdeutlicht er an folgendem Beispiel: Alkydlacke mit beachtlichen biobasierten Anteil in der Formulierung sind schon seit vielen Jahren erhältlich. „Diese Produkte hatten aber ihre Einbußen bei Dekorfarben für den Außenbereich oder bei Industrielacken, die einer hohen Beanspruchung gerecht werden müssen. Für High-Performance Acrylat- oder Urethansysteme gab bisher keine biobasierten Bindemittel. Unser neues Acrylatbindemittel „Decovery” stellen wir auf Pflanzenbasis her. Wir erkennen hier eine große Nachfrage im Markt für solche Lösungen“, sagt van der Waals. Diese Aussage bezieht sich zwar nicht auf Lösemittel, sondern auf Bindemittel. Es zeigt aber, dass an biobasierten Alternativen gearbeitet wird und diese Alternativen auch im Markt gefragt sind.
„Wenn man Alkydsysteme ausschließt, verfügen wir derzeit über keinen Markt für biobasierte Lacke. Wir stehen aber einer Revolution bevor. Das einzig Ungewisse zurzeit ist, mit welcher Geschwindigkeit diese Revolution von statten geht“, sagt van der Waals. Farben und Lacke können signifikant zu einer emissionsarmen Wirtschaft beitragen. Für van der Waals haben daher alle Märkte und Applikationsfelder das Potenzial von konventionellen auf biobasierte Systeme umzustellen. Hierfür seien insbesondere Märkte geeignet, die entweder sehr innovativ sind oder kurze Produktlebenszyklen haben.
Von Damir Gagro. Dieser Artikel enthält Information aus einer Studie: „Bio-based Solvents–6-Dimensional Assessment (TechVision) – Evaluating Bio-based Solvents through a 6-Dimensional Approach“ von Isaac Premsingh, Industry Analyst, TechVision – Frost & Sullivan