Biozide: Bis auf Weiteres unverzichtbar
Das Thema Biozide und Regularien brennt der Beschichtungs- und Bauchemiebranche auf den Nägeln. In vielen Unternehmen herrscht große Unsicherheit und es besteht viel Informationsbedarf. Die gut besuchte Konferenz in Kassel wollte hier Hilfestellung geben.
So wurde diskutiert, welche Wirkstoffe durch die Reglementierung am Ende verbleiben, wie sie eigensetzt werden dürfen, welche aktuellen Entwicklungen es bei Bioziden und biozidfreien Alternativen gibt, aber auch, wie die Wirksamkeit dieser Produkte nachgewiesen werden kann.
Lackexperten rechnen mit verschärfter Biozidverordnung
Aufschluss über die Dringlichkeit des Themas lieferte die anonyme Umfrage zu Beginn der Konferenz: Demzufolge rechnen 63 % der Teilnehmer mit einer Verschärfung der Biozidprodukteverordnung (BPV), etwa bei CMIT/MIT. Nur 4 % glauben, dass das Zulassungsverfahren vereinfacht wird. 56 % der Befragten gehen davon aus, dass die BPV zu einer starken Reduzierung verfügbarer Wirkstoffe führt.
Nur 5 % der Teilnehmer meinten, dass Biozide für Farben und Lacke langfristig komplett verzichtbar sind, 51 % gaben „langfristig teilweise verzichtbar“ an, und 44 % halten diese Substanzen auch langfristig für unverzichtbar. Im Hinblick auf biozidfreie Fassaden waren nur 9 % der Befragten der Meinung, dass es Lösungen aus der Rohstoffindustrie geben wird, die Biozide überflüssig machen. 74 % der Teilnehmer meinten dagegen, dass der verantwortungsvolle, intelligente Umgang mit Bioziden entscheidend sein wird.
Immer weniger Biozide erlaubt
Gleich im ersten Vortrag ging Gabi Büttner vom Beratungshaus UMCO detailliert auf das unübersichtliche Thema Wirkstoffgenehmigungen und Biozidproduktzulassungen ein.
Sie berichtete, dass sich die Anzahl an bioziden Wirkstoffen über alle Produktarten in den vergangenen 19 Jahren von ca. 1.100 auf weniger als 300 reduziert hat. Für einige biozide Anwendungen verbleibe sogar nur noch eine Handvoll Wirkstoffe. Dies sei auf wirtschaftliche Gründe, aber auch gesetzliche Ziele zum Schutz von Mensch und Umwelt zurückzuführen.
Monika Lamoratta von Lanxess sprach über die vorgeschlagene Neueinstufung von Methylisothiazolinon (MIT) und deren Folgen für die Konservierung. Eine wirksame Konservierung sei notwendig, um eine gleichbleibend gute Farbqualität zu gewährleisten. Die verbleibenden Wirkstoffe würden regulatorisch weiter ausgedünnt und für MIT-freie Konservierung blieben nur sehr wenige Substanzen übrig. Auf MIT könne verzichtet werden, betonte Lamoratta in ihrer Zusammenfassung. Dazu bedürfe es u.a. der Zusammenarbeit mit dem Biozidhersteller, einer intensiven regulatorischen Unterstützung und der geschickten Kombination verbleibender Wirkstoffe.
Sind biozidfreie Fassadenfarben eine Option?
Jack van Leeuwen von Sto stellte in seinem Vortrag die Frage, ob biozidfreie Fassadenfarben immer die bessere Lösung sind. Sein Fazit: Ein verbindlicher Schutz vor Befall sei nach wie vor nur durch den Einsatz von (organischen) Bioziden möglich. Gute Erfahrungen habe man mit wasserabweisenden Beschichtungen gemacht. Die Verkapselungstechnologie könne Auswaschung und Umweltbelastung mindern.
Im Praxis-Forum diskutierten die Teilnehmer außerdem in Gruppen angeregt mit Fachkollegen und Referenten über EU-Vorschriften für Biozide, In-Can-Konservierung, Konservierung der Oberflächen, Hygiene in der Herstellung, biozidfreie Alternativen und die Messung von biozidhaltigen und -freien Produkten.
Kirsten Wrede
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