Biobasierte Beschichtungen: Kleiner Markt mit Potenzial
Nachhaltigkeitsinitiativen geraten immer stärker in den Fokus der Farben- und Lackbranche. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Industrie werden diese ins Leben gerufen. Die Umweltbelastung soll durch die Entwicklung neuer Produkte reduziert werden. Diese Bestrebungen sollen unterstützend wirken, um Kunden dabei zu helfen deren Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Ein oft wichtiger Bestandteil dieser Nachhaltigkeitsinitiativen ist die Verwendung nachwachsender Rohstoffe zur Herstellung von biobasierten Lösemitteln, Harzen, Additiven und Pigmenten, etc. Da die Preise für konventionelle rohölbasierte Chemikalien in den letzten Jahren jedoch gesunken sind, ist es immer schwieriger geworden, eine breite Einführung nachwachsender Rohstoffe zu erreichen. Zunehmend müssen die aus diesen grüneren Materialien hergestellten Inhaltsstoffe mehr als biobasiert sein. Sie müssen typischerweise auch Leistungsvorteile bieten. Insbesondere wenn sie einen Preisaufschlag gegenüber den petrochemischen Produkten haben, die sie ersetzen, sei es als direkter Ersatz oder als neuartige Alternative. Trotz dieser Hürde gewinnen nachwachsende Rohstoffe für die Herstellung von Farben und Lacken zunehmend an Bedeutung.
Marktgröße liegt bei schätzungsweise 8 Mrd. USD
Dennoch befinden sich biobasierte Farben und Lacke in einer absoluten Nische des Marktes. George Pilcher vom Beratungsunternehmen ChemQuest schätzt den Markt für Systeme, die zu 100 % biobasiert sind, auf eine Größe von etwa 8 Mrd. USD ein. Pilcher prognostiziert, dass der globale Markt für Farben und Lacke 2018 wohl auf einen Wert von 160 Mrd. USD zusteuert. Gemessen an dieser Zahl, hätten biobasierte Farben und Lacke lediglich einen Anteil von etwa 5 %.
Definitionsfrage bleibt ein Thema
Bezieht man jedoch Farben und Lacke mit ein, die lediglich mit einem höheren Anteil an biobasierten Rohstoffen formuliert worden sind, kann man von einem größeren Markt sprechen. Pilcher geht dann von einem Anteil von etwa 10 % aus, was einem Wert von gut 16 Mrd. USD entsprechen würde. Hier liegt auch ein Problem bei der Einordnung, bei der sich die Geister scheiden. Wann ist ein biobasierter Lack auch als biobasierter Lack zu kennzeichnen? Sollte dies nur sein, wenn der Lack auch zu 100 % aus nachwachsenden, biobasierten Rohstoffen formuliert wird? Da gibt es auch Uneinigkeit unter den Naturfarbenherstellern. „Hier scheiden sich die Geister. Ist etwas wirklich biobasiert oder gerechnet biobasiert? Wenn biobasierte Rohstoffe aber chemisch so umgewandelt werden, dass es sich um Alkyde oder Urethane handelt, ist dies für uns kein biobasiertes Produkt. Aber im gewissen Umfang kann es jedoch nachhaltig sein“, sagt Klapproth. Zoller sieht dies ähnlich: „Nicht jedes Produkt, das als biobasiert angepriesen wird, ist es auch.“ So warnen beide eindringlich vorm „Greenwashing“. Denn die Definitionen von nachhaltig und ökologisch sind teilweise sehr unterschiedlich.
So bestehe die Gefahr des „Greenwashings“ und sei insbesondere für Verbraucher schwieriger ein Produkt konkret zu bewerten. Dadurch ergebe sich die Möglichkeit „Greenwashing“ zu kaschieren, trotz der Volldeklaration auf den Produkten. „Ein wichtiger Aspekt ist, dass die herkömmlichen Hersteller am Markt das Versprechen bezüglich der biogenen Rohstoffauswahl oft nicht halten können. Das Produkt ist mit Siegeln oder einer lückenhaften Deklaration versehen und wird „grün“ gewaschen. Für den Verbraucher ist es schwer zwischen einer biobasierten Farbe und einer gegebenfalls nicht vollständig biobasierten Farbe zu unterscheiden. Hier hilft eine ausführliche Internetrecherche, die jedoch aufwendig ist“, sagt Lettau. Der generelle Trend zu „grüneren“ Farben sei aber für die gesamte Branche als positiv zu betrachten. Denn nur so könne es im Markt auch weiterhin Wachstum geben.
Gesetzgebung als Wachstumstreiber
Willemsen bewertet den Markt für biobasierte Farben und Lacke als einen wachsenden Nischenbereich. „Wir erwarten für die kommenden Jahre weiteres Wachstum aufgrund der Gesetzgebung, die die Branche verpflichtet, sich von bestehenden Rohstoffen zu lösen und Alternativen zu finden. Die Gesetzgebung ist ebenfalls ein treibender Faktor, um sich von gefährlichen klassifizierten Stoffen zu lösen. Zusätzlich steigt der Druck auf die Industrie, die CO2-Emissionen zu reduzieren“, sagt Willemsen. Darüber hinaus gibt es mehrere Marktstudien, die zeigen, dass es eine wachsende globale Kundenbasis gebe, die bereit sei, für biobasierte Produkte zu zahlen, was die Nachfrage nach neuen biobasierten Lacklösungen weiter steigern werde, ist Willemsen sich sicher. Klapproth stuft den Markt auch insgesamt als wachsend ein. „Das Wachstum beruht aber eher auf der Gesetzgebung, als auf gestiegener Kundennachfrage“, merkt er an. Zoller bewertet den Markt für biobasierte Farben ebenfalls sehr positiv. „Noch steckt dieser Markt in den Kinderschuhen, weil die Industrie sowohl rohstoffseitig als auch herstellerseitig noch nicht willens ist, in diesen Markt zu investieren“, sagt er. „Bottom-up Bewegungen aus der Bevölkerung, Regierungen sowie Ausschreiber werden den Markt aber in den nächsten Jahren in diese Richtung drücken“, fügt Zoller hinzu. Für Lettau wächst der Markt stetig, was auch daran zu erkennen sei, dass herkömmliche Hersteller stärker in das biobasierte Rohstoffportfolio einsteigen.
Altbekannte Hürden bleiben
Für Willemsen sieht hierbei eine der großen Herausforderungen für die Industrie. Biobasierte Lacke müssen den Leistungsanforderungen entsprechen, dabei aber in die bestehenden Kostenmodelle der Industrie passen. Ein grundlegender Schlüsselfaktor ist die Verfügbarkeit von genügend Rohstoffen zu akzeptablen Kosten. Häufige Rohstoffengpässe der konventionellen Rohstoffe werden das Ihre dazu beitragen, dass nachwachsende Rohstoffe interessant werden, glaubt Zoller. Für ihn liegen die großen Hürden bei den Rohstofflieferanten, welche momentan noch sehr wenig Produkte anböten. „Auch die Qualitätsmerkmale wie schnelleres Vergilben können Hemmschwellen darstellen. In einer späteren Phase muss man natürlich auch die Frage der Anbauflächen klären. Hierzu kann ich momentan keine Aussage machen“, gibt Zoller zu bedenken. Tavares sieht das zu geringe Angebot auch als eine Hürde an, denn kein Lack- oder Farbenhersteller möchte sich von nur einer Quelle bzw. einem Rohstoffhersteller abhängig machen.
Ein rasantes Marktwachstum ist demnach nicht zu erwarten. Zum größten Teil sind die Aktivitäten meist regional geprägt. Vereinzelt zeigt sich ein Interesse an biobasierten Farben auch außerhalb Europas, aber um von einem globalen Geschäft zu sprechen, ist dies noch zu wenig.
Von Damir Gagro
Den gesamten Artikel lesen Sie in der Oktoberausgabe der Farbe und Lack.
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