Aerogel – ein vielseitiges Material soll erschwinglich werden

Hitzefest bis 600 Grad, superleicht, ungiftig und wärmedämmend: Aerogel ist gut für die Baustoffindustrie geeignet. Aber die Herstellung ist aufwendig und teuer. Forscher arbeiten daran, das zu ändern.

Aerogel aus der Versuchsproduktion der Empa. Quelle: Empa -

Die NASA hat es schon lange: Aerogel, eine Art mineralischer Leichtschaum, von dem ein Kubikmeter nur rund 100 kg wiegt. Raketenbauer tränkten das Leichtmaterial mit Treibstoff, um Raketenstufen sicherer zu machen. Weltraumforscher fingen mit dem Supermaterial Kometenstaub im Weltall ein und brachten ihn zur Erde. Aber auch Hausbesitzer kommen bereits in den Genuss der Isolationseigenschaften: 2013 brachte die Baustofffirma Fixit einen mit der Empa entwickelten Aerogel-Dämmputz auf den Markt, der historische Fassaden nicht beeinträchtigt und besser dämmt als Polystyrolschaum.

Zwei Hersteller teilen sich Weltmarkt

Allerdings ist das Material heute nach wie vor knapp und teuer. Zwei Herstellerfirmen aus den USA teilen sich den Weltmarkt. Nur langsam jedoch lässt sich die Produktion hochfahren und beschleunigen. Denn zur Aerogel-Herstellung braucht es bislang komplexe Prozesse, viel Geduld – und große Mengen chemischer Lösemittel.

Neues Eintopf-Verfahren spart Lösemittel

Matthias Koebel, Leiter des Labors Building Energy Materials and Components an der Empa, ist auf dem besten Weg, das bald zu ändern. Zusammen mit seinen Kollegen hat er ein neues Herstellungsverfahren für Aerogele entwickelt und patentiert. Die Methode spart einen beträchtlichen Teil der chemischen Lösemittel ein, die bisher gebraucht wurden. Mühselig mussten bis dato aus dem feuchten Gel Lösemittel herausgewaschen und durch andere ersetzt werden, erst dann war die aufwendige Trocknung des Gels möglich. „Die Alternative, die wir entwickelt haben, nennen wir Eintopf-Verfahren“, erläutert Koebel. „Nun brauchen wir nur noch rund zehn Prozent des Lösemittelgemischs abzuziehen und geben zehn Prozent eines Katalysatorgemischs hinzu – nach kurzer Warmlagerungszeit ist unser Aerogel trocknungsfähig.“ Der entscheidende Vorteil: die Herstellung braucht insgesamt nur noch fünf Stunden Zeit, statt wie bisher zwölf Stunden.

Kleine Behälter in Durchlaufofen schicken

Mit diesem Wissen gehen die Forscher nun den Produktionsprozess selber an. Für eine Massenproduktion des begehrten Stoffs reicht es nicht, einzelne Töpfe Aerogel nacheinander zu produzieren. Für große Mengen und skalierbare Prozesse braucht es eine Art Fließbandproduktion. Koebel hat bereits eine Idee. Laborversuche mit kleinen Behältern, in denen sein Team Aerogel herstellte, waren erfolgreich. Für die Massenproduktion möchte Koebel nun nicht einfach die Behälter vergrößern und sich neue Schwierigkeiten beim industriellen Upscaling einhandeln. Vielmehr möchte er kleine Behälter, in denen der Prozess gut kontrollierbar abläuft, in eine Art Durchlaufofen schicken. Ähnlich wie bei Großbäckereien läuft vorn das rohe Material, aufgeschichtet auf Wagen, hinein, und am Ende kommt hinten das zur Trocknung bereite, nasse Gel heraus.

Polymerbasierte Härter verbessern Festigkeit

„Ganz so einfach ist es natürlich nicht“, sagt Koebel. Während der Reise durch den Fabrikationstunnel verfestigt sich das frisch gelierte Gel und „schwitzt“ Flüssigkeit aus. An verschiedenen Stellen im Produktionstunnel wird nun aus jedem Behälter einzeln diese Flüssigkeit abgezogen und durch ein Katalysatorgemisch oder andere Reagenzien ersetzt. Nach Zugabe eines Hydrophobierungskatalysators und einer bestimmten Warmlagerstrecke im Tunnel wird das Gel hydrophob und kann anschließend getrocknet werden. Durch Zugabe von polymerbasierten Härtern oder anderen Additiven könnten aber auch die Festigkeit oder andere Stoffeigenschaften der Aerogele gezielt verbessert werden. Je nach Aerogelrezept besteht der Trick darin, die Behälter lange genug und bei den richtigen Temperaturen durch den Produktionstunnel laufen zu lassen, damit alle chemischen Prozesse der Gel-Entstehung kontrolliert ablaufen können.

Startup-Unternehmen im Aufbau

Mit mehreren Partnern aus der Bauindustrie, der Industrieisolationstechnik und dem Automobilsektor, die alle an günstig produziertem Aerogel interessiert sind, ist Koebel nun daran, ein Startup-Unternehmen aufzubauen. Innerhalb drei Jahren soll damit die Produktion von bezahlbarem Aerogel industriell umgesetzt werde

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