Interview: Faszinierende Effekte mit eingefärbtem Beton
Bei Beton denkt man vielleicht zunächst an ein graues, unauffälliges Material. Beton kann aber auch eingefärbt werden. Welche Möglichkeiten gibt es hier?
Dr.-Ing. Owe-Karsten Lorenz: Für die dauerhafte Farbgebung von Beton stehen viele anorganische und mineralische Pigmente zur Verfügung. Nahezu alle Farbtöne können erzielt werden, die auch bei intensiver Sonnenbestrahlung beständig sind. Mit bunten Farben pigmentierte Weißzemente erhalten meistens Pastelltöne, die Geschmackssache sind. Jedoch alle mit Eisenoxid-Schwarz erzeugten Grautöne finde ich attraktiv. Pigmentierte Grauzemente nehmen dagegen deutlich ältere Farbtöne an, die mir persönlich an Fassaden mehr gefallen. Für Betontechnologen ist von Interesse, dass es Hinweise auf Wechselwirkungen von Eisenoxid-Pigmenten mit gleichzeitig verwendeten plastifizierenden Additiven geben soll, so dass die erzielbare Farbintensität schwanken kann.
Da der Zementstein der Betonrandzone eingefärbt ist, kommt es neben der Stabilität des Farbpigments auch auf die Güte des Zementsteins an. Poröser Zementstein neigt an Fassaden mehr dazu, im Laufe der Bewitterung aufzuhellen, weil an die Oberfläche migriertes Kalkhydrat einen Schleier von Kalk erzeugen kann. Zudem kann offenporiger Zementstein auch anfällig für biogene Farbveränderungen sein, so dass unansehnliche Betonoberflächen entstehen. Sichtbetonoberflächen sollten deshalb mit möglichst dichtem Beton hergestellt werden, ob pigmentiert oder nicht.
Unbeschichtete Nutzanstriche
Das gilt insbesondere auch für nur fein angeschliffene und unbeschichtete Nutzestriche, die bei Innenarchitekten für die Bodengestaltung von Verkaufsräumen beliebt sind. Die Böden sind mechanisch stark beansprucht und werden zudem regelmäßig unterhaltsgereinigt und kommen dabei wohlmöglich mit tensidhaltigen Mitteln in Berührung, die Zement- und Kalkstein angreifen können. Im Unterschied zu Sichtbeton an Wänden oder Decken lassen sich durch Nutzungs- und Laufspuren inhomogen erscheinende Nutzestriche nicht mit einer Lasur wiederauffrischen. Sie müssen ggf. feingeschliffen werden.
Böden aus Schleifestrich und -beton oder Terrazzi erhalten ihre Struktur ganz wesentlich durch das freigeschliffene und farbstabile Körnungsgemisch. Aber die Zwickel dazwischen nehmen mindestens ein Viertel der Oberfläche ein, so dass unzulänglich dichter Zementstein im Laufe der Nutzung besonders verschmutzt und nachdunkelt. Die ursprüngliche Farbe kann dann nur durch einen Feinschliff wieder hervorgeholt werden. Deshalb ist sowohl bei fein angeschliffenen Nutzestrichen als auch bei Schleifestrichen und Terrazzoböden eine Imprägnierung zweckmäßig, die die Anschmutzung mindert.
Herstellung mit Vorsatz
Während Betonwaren meistens durchpigmentiert sind, werden Pflastersteine oder Platten üblicherweise mit einem Vorsatz hergestellt, der der Fläche die gewünschte Struktur und Färbung verleiht. Das ist sinnvoll, weil der preisgünstigere Kernbeton aus Grauzement lediglich die Tragfunktion erfüllen muss. Der Vorsatzmischung kommt dagegen die Aufgabe zu, zusätzlich dauerhaft und farbstabil den Belastungen durch Abrieb, Frost, Taumittel und Hochdruckstrahlreinigung zu widerstehen. Weil Pflaster und Betonsteinplatten auf dem Boden liegen, muss die Bettungsschicht wasserableitend und der Zementstein wenig kapillaraktiv sein. Weil das nicht immer realisiert ist, kann es an Pflastern und Platten zu Farbveränderungen durch Ausblühungen kommen. Bemühungen, solche Kalkausblühungen mit Säuren zu entfernen, sind regelmäßig erfolglos oder verschlechtern die Optik sogar. Nicht selten hilft hier Geduld, denn diese Ausblühungen verschwinden mit der Bewitterung langsam oder gleichen sich an, so dass sie unauffällig werden.
Mehr über neue Entwicklungen bei Zusatzstoffen für Beton, Betonbeschichtungen und umweltfreundlichen Lösungen erfahren Sie auf der FARBE UND LACK // KONFERENZ „Vielseitig, aber anspruchsvoll – der Baustoff Beton“ am 26. und 27. November 2019 in Kassel.
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Mit welchen Additiven kann man die Performance von Beton noch verbessern?
Lorenz: Neben den hinlänglich bekannten Betonzusatzmitteln, die die Verarbeitbarkeit von Frischbeton und das Erstarrungs- und Erhärtungsverhalten beeinflussen, gibt es eine Reihe weiterer flüssiger Zusätze, die dem Festbeton besondere Eigenschaften verleihen. Ich denke da beispielsweise an Additive, die erlauben, den Wassergehalt wesentlich zu senken. Um hochfeste und ultrahochfeste Betonbauteile herzustellen, muss der Wassergehalt sehr klein gehalten werden. Dies ist nur mit hocheffizienten plastifizierenden Additiven möglich. Weiterhin erzeugen Luftporenbildner Mikroluftporen definierter Größe und Verteilung im Zementstein, so dass der Frostwiderstand beispielsweise von Betonfahrbahnen gesichert wird. Unterwasser können Bauteile geschüttet werden, wenn ein stabilisierender Zusatz den Zusammenhalt des Frischbetons erhält. Sogenannte Einpresshilfen ermöglichen das kraftschlüssige Verfüllen von Ankerlöchern und Spanndrahtkanälen. Oberflächenaktive Schwindreduzierer mindern die beim Trocknen eintretende Volumenabnahme des Betons insbesondere in jungem Alter. Das Risiko der frühen Rissbildung im Bauteil kann so gesenkt werden. Spezielle Additive, die das Erstarren schleunigen, sind neben dem Einsatz von Spritzbeton auch beim Herstellen von Bauteilen im 3D-Druck-Verfahren wichtig.
Feste Betonzusatzstoffe
Außer den flüssigen Betonzusatzmitteln gibt es noch viele feste Betonzusatzstoffe, die den Charakter von Betonen beeinflussen. Mit bestimmten pulverförmigen Abstoffen der Kohlekraftwerke und der keramischen Rohstoffindustrie lassen sich die Dauerhaftigkeit und Festbetonmerkmale deutlich verbessern. Der Einsatz von Steinkohlenflugasche und Silikastaub entspricht heute dem allgemein anerkannten Stand der Betontechnik.
Zudem gehören neben den bereits angesprochenen Farbpigmenten fotoaktive Stoffe, wie etwa die TiO2-Phase Anatas, die bei UV-Bestrahlung NOx aus der Atmosphäre im Kontakt zur Betonoberfläche reduzieren kann. Bestimmte Wachse oder Salze verändern reversibel ihren Aggregat- bzw. Phasenzustand und absorbieren Wärme beim Aufheizen und setzen diese Energie wieder frei, sobald die Temperatur wieder sinkt. Damit verhält sich ein mit sog. Phase Changing Material dotiertes Betonelement bauphysikalisch wie ein wesentlich dickeres Bauteil und trägt so zu einem erträglicherem Raumklima bei.
Veränderung von Eigenschaften durch Fasern
An dieser Stelle muss noch erwähnt werden, dass seit langem Fasern aus diversen Materialien dem Beton zugesetzt werden, um die Eigenschaften von Betonbauteilen gravierend zu verändern. Zunächst dienen Fasern dazu, die Empfindlichkeit von Beton gegenüber Zugspannungen zu mindern. Normalbeton erträgt Zugbeanspruchung relativ schlecht und verhält sich ziemlich spröde. Wie bei keramischen Werkstoffen führen Kerbspannungen an Defekten ohne Vorankündigung zum spontanen Bruch. Mit zugegebenen Fasern, die geeignete Festigkeit haben, wird Beton duktiler. Eine rissauslösende Zugspannung führt dann nicht unmittelbar zum Totalversagen, sondern die Tragfähigkeit des Bauteils bleibt auch bei weiterer Laststeigerung noch erhalten. In sehr spröden ultrahochfesten Betonbauteilen kommt es unter Brandlast zum Abplatzen der Betonrandzone, weil der beim Zerfall des Zementsteins freiwerdende Wasserdampf nicht entweichen kann. In diesem Fall liegt die Stahlarmierung schnell frei und das Bauteil verliert seine Tragfunktion früher als nötig. Fein verteilte Fasern aus Polypropylen leisten wirksam Abhilfe, weil sie bei hohen Temperaturen schmelzen und dünne Kanäle zur Oberfläche schaffen, durch die der Wasserdampf entweichen kann. Das Bauteil hält dadurch länger und sichert die Zugangsdauer für Einsatzkräfte wesentlich.
Das Interview führte Kirsten Wrede
Im ersten Teil unseres Interviews beschreibt Dr. Lorenz seine Faszination für Beton, nennt die umwelttechnischen Vorteile und erklärt, was es bei der Beschichtung von Beton zu beachten gilt.
BUs:
Dr.-Ing. Owe-Karsten Lorenz hält das Tutorium auf der FARBE UND LACK Konferenz.
Mit Beton lassen sich moderne Bauwerke realisieren.
Quelle: 290712 – stock.adobe.com